Informieren, Aufklären, Verändern: Das Gießener Textilbündnis engagiert sich seit über 20 Jahren für nachhaltigen Kleiderkonsum

In einer Welt, in der Fast Fashion und Wegwerfmentalität die Norm sind, gibt es immer noch Menschen, die sich gegen den Strom stellen und sich für faire Bedingungen in der Textilproduktion einsetzen. Einer dieser Menschen ist Toni Mathes, sie ist Mitgründerin des Vereins Gießener Textilbündnis und dem Secondhand Laden „Pepp“ in Gießen.

Nachdem sie und die anderen fünf Gründerinnen 1997 an einem Vortrag über die Missstände der Textilindustrie teilgenommen hatten, war für die Frauen schnell klar, dass sie etwas dafür tun wollen mehr Menschen aufzuklären.

Mit Infoständen in der Innenstadt und diversen Protestaktionen begannen sie auf sich aufmerksam zu machen. Sie hielten zahlreiche Vorträge in verschiedenen Vereinen über die Textilproduktion und organisierten Workshops zum Thema Upcycling.

Schließlich erklärten sie sich bereit, Kleidung von der Jugendwerkstatt anzunehmen und gegen Spende weiterzugeben. Durch eine Kooperation mit dem Weltladen bekamen sie einen Raum zur Verfügung gestellt, zogen 2005 dann jedoch in die Bahnhofsstraße um, wo sie bis heute den Laden führen, und Menschen informieren.

 

 

Von Mittwoch bis Samstag hat der Pepp Laden seither für alle interessierten Käuferinnen geöffnet. Wegen des begrenzten Raumes haben sich die Gründerinnen dazu entschieden im Laden ausschließlich Oberbekleidung für Frauen zu verkaufen. Die Einnahmen des Geschäfts werden zum einen Teil an die Arbeiterjugendwerkstatt gespendet, und zum anderen Teil einmal im Jahr an die Vereinigung Romero, die sich für die Rechte von Näherinnen einsetzt.

Über die Jahre wuchs die Gruppe an ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen auf insgesamt 25 an, die meisten von ihnen sind Rentnerinnen. Einmal im Monat treffen sich die Frauen im Rathaus, um alles Organisatorische abzusprechen.

 

 

Der Laden wurde gut angenommen, jedoch ist der Publikumsverkehr in letzter Zeit zurückgegangen. Frau Mathes vermutet, dass dies an den steigenden Zahlen des Online-Shoppings liegen könnte. Diesen Trend hat die Corona Pandemie zusätzlich noch befeuert. Die Verlockung bequem von zuhause Kleidung zu bestellen sei bei vielen Menschen groß. Trotzdem freuen sich die Frauen über jede Person, die sich gegen das Neukaufen entscheidet und im Laden vorbeischaut.

Neben Kleidung verkaufen sie auch unter anderem Taschen und Flaschenüberzüge, die aus alten Männerhemden upgecyclet wurden. Zu jedem dieser Produkte gibt es außerdem ein Infoblatt mit dem Titel „Ich war mal ein Hemd“ mit zusätzlichen Informationen zur Textilindustrie. So versuchen sie der Wegwerfgesellschaft entgegenzuwirken und Menschen zum Nachdenken anzuregen, denn nicht selten bekommen sie Kleidung, an der noch das Preisschild dranhängt.

Die Kundschaft des Ladens sei mittlerweile sehr vielfältig, berichtet Mathes. Anfangs seien weniger ältere Menschen gekommen. In zahlreichen Gesprächen hat Frau Mathes immer die gleichen Gründe dafür gehört: viele Menschen wollen durch ihre Kleidung zeigen, dass sie Geld haben, da Secondhand Kleidung oft günstiger ist, wird diese dann automatisch als weniger wert assoziiert. Hier wird Kleidung also als Statussymbol gesehen. Frau Mathes kann diese Denkweise nicht nachvollziehen, sieht man doch sehr oft der Kleidung gar nicht an, dass sie bereits von einer anderen Person getragen wurde. Zusätzlich sind auch mögliche Schadstoffe, die bei der Produktion entstanden sind, längst rausgewaschen.

 

Frau Mathes betont, wie wichtig Information und Bildung sind, um das Bewusstsein für den nachhaltigen Konsum von Textilien zu schärfen. Sie möchte, dass das Image von Second-Hand-Kleidung positiver wahrgenommen wird und dass Menschen beim Online-Kauf nur das bestellen, was sie wirklich brauchen. Von der Politik wünscht sie sich, dass Schulen bereits früher über die Textilindustrie informieren, damit schon Kinder lernen, was hinter den ständig wechselnden Kollektionen der Fast-Fashion-Industrie steckt.

Menschen, die sich zukünftig intensiver mit dem Thema nachhaltige Kleidung beschäftigen wollen, rät sie sich vor dem Kauf zu reflektieren, ob es wirklich nötig ist, etwas Neues zu kaufen. Sie folgt seit Jahren dem Prinzip „möchte etwas Neues in den Schrank, muss etwas altes weichen“ so lässt sich verhindern, dass sich unnötig viel Kleidung anstaut und man den Überblick darüber verliert, was man noch im Schrank hat. Die aussortierten Sachen kann man dann entweder beispielsweise bei der Jugendwerkstatt abgeben oder zu neuen Dingen Upcyclen. An Ideen mangelt es Frau Mathes dabei nicht, so schlägt sie vor aus alten T-Shirts Garn für Häkelprojekte herzustellen oder aus alten Jeans Frisbee-Scheiben zu machen.

 

 

 

Abschließend wollten wir von Frau Mathes noch wissen, ob man nach über 20 Jahren ehrenamtlicher Arbeit nicht manchmal das Gefühl bekommt, dass man kaum etwas bewirken kann. Sie verneint energisch, dieses Gefühl habe sie ganz und gar nicht, denn egal wir klein ihr Einfluss auch sein mag, sie tut wenigstens etwas. Sie betont, dass sie in ihrem Leben viel Glück hatte und vieles ihr einfach zugefallen ist, ohne dass sie darum bitten musste. Aus diesem Grund möchte sie so viel wie möglich zurückgeben und solange es geht, aktiv bleiben.

Uns hat Ihre Geschichte und das Engagement des Gießener Textilbündnis sehr inspiriert und wir hoffen, dass der Pepp Laden auch in Zukunft noch lange Jahre sich an reger Kundschaft erfreuen wird.