Was haben Nachhaltigkeit, Geschlechtergerechtigkeit und Care-Arbeit mit den globalen Nachhaltigkeitszielen gemeinsam?
Zu den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) gehört unter SDG 5 die Geschlechtergerechtigkeit dazu.
Auch wenn alle 17 Ziele als gleichwertig angesehen werden, so ist doch SDG 5 das Wichtigste, wenn es um den Gesamterfolg der Agenda 2030 geht.
SDG 5 definiert sich folgendermaßen:
Das Nachhaltigkeitsziel der Geschlechtergleichstellung will alle Formen der Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen beenden. Der Zugang zu wirtschaftlichen und natürlichen Ressourcen soll unabhängig von Geschlecht gewährleistet sein. Dabei wird auch die gleichberechtigte Teilhabe und Chancengleichheit von Frauen bei der Übernahme von Führungsrollen auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung in allen gesellschaftlichen Bereichen gefordert.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) [1]
Schafft man keine Geschlechtergerechtigkeit, so werden viele der einzelnen Nachhaltigkeitsziele scheitern, sei es das erste Ziel das „keine Armut“ mehr auf der Welt herrschen soll oder der Zugang zu sauberem Wasser, wie in SDG 6 definiert. Der Erfolg von Hochwertiger Bildung (SDG 4) und Menschenwürdiger Arbeit (SDG 8) kann nur geschehen, wenn der Zugang zu Bildung und Arbeitsplätzen unabhängig vom Geschlecht möglich ist. Wenn nur Teile einer Bevölkerung nur Zugang zu den genannten Ziele haben, so können diese noch nicht als erreicht gelten.
Um ein selbstbestimmtes und sicheres Leben führen zu können, müssen zum Beispiel Frauen und Mädchen einen gerechten Zugang zu hochwertiger Bildung und damit zu guten Arbeitsplätzen haben. Unter einem sicheren Leben versteht man natürlich nicht nur ein finanziell abgesichertes Leben, auch der Schutz vor körperlicher oder sexueller Gewalt muss verbessert werden. Laut der UN haben in den letzten zwölf Monaten 18 % der Mädchen und Frauen Gewalt durch ihren Partner erfahren.
Um wirkliche Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, muss sich auch im Bereich der Care-Arbeit noch vieles verbessern. Frauen leisten im Durchschnitt 44,3 Prozent pro Tag mehr Zeit für unbezahlte Care-Arbeit als Männer [2].
Besonders im Bereich der Kindererziehung wird auch heute noch ein Großteil der Arbeit von Frauen erledigt, was dazu führt das diese eine deutlich höhere Belastung erfahren, wenn sie noch zusätzlich ihr Berufsleben damit vereinbaren müssen.
Damit die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern gelingen kann und Care-Arbeit sich weiterentwickeln kann ist es wichtig, dass sich Dinge verändern. Um herauszufinden, was sich ändern sollte, haben wir verschiedenen Menschen folgende Frage gestellt:
Nehmen wir an, du hättest einen Wunsch frei: Was müsste sich ab morgen ändern, damit Care-Arbeit sozial nachhaltiger gestaltet werden könnte?
Corinna wünscht sich, dass Care-Arbeit wie Lohnarbeit vergütet werden sollte.
Silvia hat sich während ihrer Doktorarbeit mit dem Thema Care-Arbeit beschäftigt, was sie sich wünscht, erfahren sie hier:
Lilian wünscht sich mehr Zusammenhalt und Menschlichkeit, mehr Vertrauen und weniger Bürokratie und neue, flexible Netzwerke in der Care-Arbeit.
Anne-Marie spricht sich für „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ für alle Menschen aus und für das Ende einer sozialen Ungleichheit.
Saskia ist Förderschullehrerin und wünscht sich, dass die Personen die Care-Arbeit beruflich leisten, z.B. Erzieher:innen oder Pflegekräfte, besser bezahlt und in unserer Gesellschaft wertgeschätzt werden.
Mario spricht sich für bessere, längere und hochwertigere Kinderbetreuung aus. Dies würde mehr Entspannung in die Familien bringen und Frauen auch mehr Chancen im Berufsleben ermöglichen.
Ida ist als Mutter schon immer in Teilzeit tätig, sie wünscht sich eine grundlegende Haltungsänderung, welche zu besserer Vergütung, mehr Respekt und Anerkennung von sozialen Berufen und Care-Arbeit im Allgemeinen führt.
Folgende Punkte müssten verbessert werden, damit die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern gelingen kann.
In Deutschland fehlten 2023 rund 430.000 Kitaplätze, Grund dafür ist meistens das Fehlen von pädagogischem Personal. Im Juli 2024 fehlten in Gießen 500 Kitaplätze. Ebenso tragen die hohe Nachfrage und der geringe Ausbau bei der Betreuung von Kindern unter 3 Jahren zum Mangel von Kitaplätzen bei.
Dieser Mangel zwingen Frauen oft dazu, nur in Teilzeit zu arbeiten
Die entsprechenden Zahlen sind auf der Website der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft und diesem Zeitungsartikel des Gießener Anzeigers zu entnehmen.
Etwa 41 % der Elternschaft haben in einer Studie 2022 angegeben, dass sie im Berufsleben durch ihre Elternschaft diskriminierende Erfahrungen gemacht haben. So gaben 56 % der befragten Mütter an, dass ihnen Verantwortung in ihrem Beruf entzogen wurden.
Bei Vätern gab es in etwa 19 % der Fälle Druck, keine Elternzeit oder nur eine verkürzte Elternzeit zunehmen.
Auch nach dem Wiedereinstieg in den Beruf kommt es immer wieder zu negativen Erlebnissen und wenig Verständnis, wenn zum Beispiel die Kita ungeplant ausfällt oder das Kind krank wird.
Dies lässt sich hier, auf der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nachlesen.
Der Abstand der Gehälter zwischen Frauen und Männern ist immer noch vorhanden. Ursachen dafür sind unter anderem, dass Frauen meist weniger Chancen auf Führungspositionen haben oder nur Teilzeit arbeiten gehen können.
Dies ist nachzulesen in diesen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes.
Häufige Teilzeitbeschäftigung
Drohende Altersarmut
Geringes Ansehen und Bezahlung von sozialen Berufen
Keine finanzielle Anerkennung von Care-Arbeit
Zu viel Bürokratie
Jeder gute Kritiker bringt Gegenvorschläge mit: Hier also einige Ansätze, wie die Geschlechtergerechtigkeit in Bezug auf Care-Arbeit, Kinderbetreuung und Elternschaft verbessert werden könnte.
Die Kinder würden von der Erfahrung der Älteren profitieren, sie würden ganz natürlich auch Rücksichtnahme lernen. Der Alltag der älteren Menschen würde von der Lebensfreude der Kinder bereichert. Auch im Betreuungsangebot gibt es viele Überschneidungen.
Hier ein Beispiel aus Schwalbach am Taunus.
In Finnland können Eltern optional entscheiden, ob sie ihr Kind durch eine Kita, eine Betreuung durch eine Tagespflegeperson in einer Familientagesstätte oder durch einen Elternteil möchten. Entscheiden sie sich dazu, ihr Kind durch ein Elternteil zu betreuen, so erhalten sie eine Familienbetreuungszulage.
In Schweden steht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Mittelpunkt, was die Betreuung der Kinder angeht. So müssen Kommunen Betreuungsplätze für Kinder bis 12 Jahre von berufstätigen Eltern garantieren. Diese Garantie verfällt, wenn beide Eltern keiner Arbeit nachgehen.
Sowohl die finanzielle Unterstützung von Eltern als auch eine Betreuungsplatz-Garantie global umgesetzt, wäre in Deutschland und der Welt eine gute Möglichkeit, das SDG 4 (der Zugang zu hochwertiger Bildung) und das SDG 8 (menschenwürdige Arbeit und Beschäftigungschancen) umzusetzen.
Konkreteres zu Finnland, Schweden und wie es in anderen EU-Ländern funktioniert, ist hier nachzulesen.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes empfahl 2022 die Aufnahme des Begriffs der „familiären Vorsorgeverantwortung“ in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als neuen Diskriminierungsgrund aufzunehmen. Dies würde Arbeitgeber verpflichten, ihre Angestellten von Diskriminierung durch Elternschaft zu schützen.
Weitere Informationen dazu hier.
Zum Einen gibt es den jährlichen Equal Pay Day, der auf den Verdienstunterschied von Frauen und Männern aufmerksam machen soll.
Ebenso gibt es ein Bundesgesetz, dass 2017 beschlossen wurde, dass sogenannte „Entgelttransparenzgesetz“. Von der EU wurde 2023 zusätzlich eine Richtlinie in Kraft gesetzt, welche bis zum 7. Juni 2026 in Deutschland umgesetzt werden muss. Dies bedeutet, dass das Bundesgesetz überarbeitet werden muss.
Wie es darum steht, kann man hier nachlesen.
Eine Angleichung der Gehälter, wäre ein wichtiger Schritt für die Realisierung des SDG 10 (Weniger Ungleichheiten).
Sollten diese Punkte nicht weiter verbessert oder ganz ausgeräumt werden, wird die Entfaltung des vorhandenen Potenzial für stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine starke soziale Nachhaltigkeit unterbunden.
All die oben genannte Probleme und Gründe lassen sich lösen, wenn man gemeinsam daran arbeitet und sich dieser bewusst wird.
Die Informationen auf dieser Seite sollen als Inspiration dienen sowie zum Nach- und Weiterdenken anregen, denn nur so kann das Ziel einer Gesellschaft, in der alle Menschen die gleichen Rechte haben gelingen. Ohne echte Gerechtigkeit zwischen allen Geschlechtern können auch die globalen Nachhaltigkeitsziele nicht voll umfassend gelingen.
Die Inhalte wurden im Rahmen des Service Learning Seminars Geschlechtergerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung im Wintersemester 2024/25 von Svenja Koch und Sebastian Engel erstellt