Autorinnen: Lena Hock, Myriam Schreiber und Lara Herrlich
Gemeinwohlberaterin: Vera Ronge
Unternehmen: Tischlein Deck Dich
Projekt: Pilotmodul an der JLU, FB09, zur Gemeinwohlbilanzierung
Die Verletzung der Menschenwürde in der Zulieferkette, die Sicherung eines lebenswürdigen Verdienstes für alle Mitarbeitenden oder die Umweltauswirkungen des Produktionsprozesses – das sind Dinge, die so manches Unternehmen im Alltagsgeschäft gerne verdrängt. Das Cateringunternehmen Tischlein Deck Dich (TDD) aus Heuchelheim, ein Tochterunternehmen der ZAUG gGmbH, hat sich der Herausforderung gestellt, diese und weitere Aspekte ihres unternehmerischen Handelns aufzuarbeiten. Den Rahmen dafür setzte das Studienmodul MP-250 „Nachhaltige Ernährungswirtschaft in der Praxis“ der Justus-Liebig-Universität (JLU), unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Herzig und M.Sc. Svea Spieker. In Zusammenarbeit mit der Gießener Regionalgruppe der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) und zwei Gemeinwohlberater*innendurften die Studentinnen der JLU den Prozess zur Erstellung eines Gemeinwohlberichtes durchlaufen und eigenverantwortlich durchführen.
Während die Studierendengruppe mit dem Aufbau der sogenannten Gemeinwohl-Matrix und den verschiedenen Bezugsgruppen und Werten der Gemeinwohl-Ökonomie im theoretischen Teil des Seminar vertraut gemacht wurden, war es im praktischen Teil des Seminars die Aufgabe von Tischlein Deck Dich, den Studentinnen Lena Hock, Myriam Schreiber und Lara Herrlich Rede und Antwort auf die kritischen Fragen der Vollbilanz zu stehen. Das ist angesichts von Fragen wie „Welche Bereiche der Zulieferkette weisen eine besondere Gefährdung der Menschenwürde auf?“ nicht immer angenehm. Dennoch haben die beiden Verantwortlichen Dirk Haas, Nachhaltigkeitsmanager der ZAUG gGmbH, und Steven Abstein, Betriebsstättenleiter von Tischlein Deck Dich, versucht die Fragen bestmöglich zu beantworten. Der Anspruch lag dabei nicht auf Vollständigkeit, sondern sollte vielmehr Inspiration für zukünftige Optimierungen bieten. „Der Entwicklungsprozess von uns wurde hier gestartet. Unser Ziel war nicht, innerhalb des Seminars den Prozess abzuschließen, sondern uns auf den Weg hin zu einer Bilanzierung zu begeben.“, so Herr Abstein. Bestätigend fügte Herr Haas hinzu: „Wir haben zwei Ziele: A, den Prozess bei TDD verstetigen, unsere Prozesse optimieren und zusätzliche Faktoren einbeziehen sowie Zahlen generieren, und B, den Prozess gegebenenfalls auf ganz ZAUG auszuweiten.“
Während des gesamten Prozesses waren die zwei zertifizierten Gemeinwohlberater*innen Vera Ronge und Christian Schwarzer an der Seite der Studentinnen. Für die Studentinnen der Gruppe Tischlein Deck Dich war Vera Ronge die Ansprechpartnerin, die die Studentinnen nicht nur zu den Unternehmensbesuchen begleitete, sondern auch nützliche Hinweise bezüglich der Berichtsvorlage oder der Schwerpunktsetzung im Bericht gab. Sie zog das Fazit: „Zusammen mit Studentinnen ins Unternehmen zu kommen war für uns ein Experiment, was sich gelohnt hat. Insbesondere deren Perspektive auf die Berichtsfragen und das Unternehmen waren enorm wertvoll. Dazu noch kombiniert mit Fachwissen aus dem Bereich nachhaltige Ernährung. Eine gelungene Kooperation!“
Wie es bei Pilotprojekten häufig der Fall ist, lief während des Prozesses nicht immer alles glatt. „Die Zeit war echt ein Problem, für uns und das Unternehmen.“, so Studentin Lena Hock. Nach einer gemeinsamen Eingewöhnungsphase und einer Feedback-Runde in der Mitte des Semesters konnten Vertrauen und Zusammenarbeit allerdings gestärkt werden. Zwecks der Datenerhebung und -Aufbereitung hat Tischlein Deck Dich sogar zwei Werksstudentinnen eingestellt. Zwar flossen diese Daten nicht mehr in den vorläufigen Gemeinwohlbericht des Pilotseminars ein, allerdings werden sie dem Unternehmen im Laufe des weiteren Prozesses noch nützlich sein.
Das führte allerdings auch dazu, dass es beim vorläufigen Bericht teilweise weniger konkrete Ergebnisse gab. Die Studentinnen vermuteten aber eine Tendenz. Dazu sagte Studentin Lara Herrlich: „Nach dem, was wir im Laufe der Gespräche gehört haben, liegt die Stärke von Tischlein Deck Dich im Umgang mit ihren Mitarbeitenden und Kundinnen und Kunden“. Besonders überzeugt habe dabei die Teilnahme an Projekten und das gesellschaftliche Engagement für eine nachhaltige Entwicklung im Bereich der Kita- und Schulverpflegung.
Auch im Hinblick auf die Organisation des Pilotmoduls wurden Verbesserungsmöglichkeiten deutlich (z.B. im Zeitablauf, bei Absprachen usw.), denn das Pilotvorhaben war neu für alle Beteiligten. Dennoch gehen alle Parteien zufrieden aus dem Prozess. Herr Haas fand hierfür passende Worte: „Wir sind mit dem Prozess sehr zufrieden und würden auch gerne weiter diesen Weg gehen.“. Myriam Schreiber stellte beim letzten Termin fest: „Abschließend kann ich sagen, dass sich trotz anfänglicher Schwierigkeiten bei der Kommunikation eine gute Zusammenarbeit entwickelt hat.“.
Der vorläufige Berichtsentwurf wurde Tischlein Deck Dich bei einer gemeinsamen Abschlussveranstaltung am 19. Februar 2024 übergeben. Mit diesem Berichtsentwurf hat Tischlein Deck Dich nun die Möglichkeit sich auf den weiteren Prozess der Gemeinwohlbilanzierung zu begeben.